Ich stand
vor meinem Spiegel und probierte verschiedene Schuhe zu meinem Kleid. Irgendwie
konnte ich mich nicht entscheiden. Da kam mir der Gedanke „Warum nicht einfach
zwei verschiedene Schuhe anziehen?“ und schon war die Idee für eine Aufgabe für
den Kunstkurs der 10/11 geboren. Da ich mich den Aufgaben auch gerne selbst stelle,
war ich heute mit zwei verschiedenen Schuhen unterwegs. Leider ergab es sich
nicht, dass ich nach der Arbeit auch noch einkaufen gegangen bin oder so, aber
wir hatten heute die Verabschiedung der Abschlussklasse mit großem Programm und
somit war schon was los in der Schule. Als ich mich im Vorfeld damit
beschäftigte, merkte ich, dass ich mir Gedanken darübermache, ob ich dann zur
Abschiedsfeier doch lieber zwei gleiche Schuhe anziehe… Da waren sie also, die
Regeln, die Normen, an die auch ich mich anpasse. Aber was ist denn schon
dabei? Ich schade doch niemandem, tue keinem weh oder stelle jemanden bloß,
wenn ich zwei verschiedene Schuhe anhabe. Heute Morgen habe ich es dann einfach
getan. Zur Sicherheit, falls es zu unangenehm würde, habe ich mir die
Partnerschuhe mit eingepackt. Schließlich waren es ganz verschiedene Schuhe
auch mit unterschiedlich hohem Absatz.
In der
Schule angekommen, war es lustig, welche Fragen mich erwarteten. Da wir eine
kleine Schule mit etwa 120 Schülerinnen und Schülern von Klasse 1 bis 11 sind,
kennt jeder jeden und ist die Hemmschwelle sich anzusprechen sehr gering.
Sofort kam: „Sie haben zwei verschiedene Schuhe an! Warum?“, „Haben Sie heute
Morgen die Schuhe verwechselt?“, „Das ist stylisch!“ und immer wieder die Frage
„Warum?“. Als ich darauf nicht antwortete, kamen Vermutungen: „Wollen Sie den
Abschlussschülern vielleicht damit etwas sagen? Dass sie ihren eigenen Weg
gehen sollen, mal was anderes ausprobieren, sie selbst sein sollen?“ Hm, nein,
das hatte ich nicht vor, aber ein wunderbarer Gedanke und so schön passend! Die
Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen waren auch spannend. Eine sagte „Das
würde ich mich nie trauen!“, die nächste erzählte, dass ihre Oma, nun fast 90,
auch immer so gerne mal zwei verschiedenen Schuhe anziehen würde, es sich aber
nicht traut. Warum nicht? Was ist daran schlimm? Okay, mit fast 90 würde man
dann wohl denken, sie würde nun tattrig und hätte es unabsichtlich getan. Sie
hätte es vielleicht einfach schon mal früher machen sollen. Andere sagten gar
nichts dazu, reagierten auch in keinster Weise. Empfand ich auch nicht schlimm.
Nach 7 Stunden mit zwei verschiedenen Schuhen war ich wieder zu Hause und froh,
auf Socken laufen zu dürfen. Ich merkte die verschiedenen Absatzhöhen und
Schuhformen deutlich.
Erschreckt hat mich, dass ich so schnell an meine Grenzen kam und mir doch sehr
Gedanken darüber gemacht habe, was die Menschen von mir denken werden. Erfreut
und auch etwas erschreckt haben mich die Gespräche, die sich daraus ergaben.
Warum trauen sich so viele nicht einfach das zu tun, wonach ihnen ist? Ist
anders sein so schlimm? Ist Ungewöhnliches so seltsam, dass man davor Angst
haben sollte? Haben wir so schnell Angst, ausgegrenzt zu werden? Bin ich so,
wie ich bin, nicht toll?
Fragen über Fragen.
Ich bin sehr, sehr gespannt, was sich meine Kunst-Schülerinnen und Schüler
überlegen und wie unsere Gespräche danach werden.
PS: Das ist die Ferienaufgabe für meinen Kunstkurs:
Überlegt
euch etwas, was man normalerweise nicht tut oder anders macht und brecht diese
„Norm“ dann bewusst. (Dabei soll niemandem geschadet werden!)
·
Fotografiere
die Aktion.
·
Was
hast du getan, was man normalerweise nicht oder anders tut?
·
Warum
gibt es wohl diese „Norm“?
·
Wie
hat es sich für dich angefühlt?
·
Wie
haben die Menschen, die das mitbekommen haben, reagiert?
·
Was
hat dich überrascht?
Anregungen:
·
Kleidung
auf links tragen
·
Männer
in Frauenkleidung
·
Nachthemd
am Tag
·
Als
Mann/ Junge mit Puppen spielen in der Öffentlichkeit
·
Jungs
mit Nagellack
·
Auf
dem Bürgersteig picknicken
·
Besteck
verkehrt herum benutzen
·
Laut
und überschwänglich lachen
·
Laut
Lieder pfeifen
·
Laut
singend Fahrrad fahren
·
Im
Schneeanzug Inliner fahren
·
Einfach
in der Öffentlichkeit tanzen
·
Moonboots
im Sommer tragen
·
Mit
einer Clownsnase rumlaufen
·
Mit
einer Schwimmbrille rumlaufen
o
Mit
Schwimmbrille, Schnorchel und Schwimmflossen in ein Edelrestaurant gehen
·
Im
Unterricht stehen statt sitzen
·
Mit
Unterhose auf dem Kopf rum laufen
·
Poolnudel
als Schal nutzen
·
Schwimmflügel/
Schwimmring tragen
·
In
der Fußgängerzone einfach auf Menschen zugehen, ihnen die Hand geben und sich
vorstellen
·
Menschen
näher kommen als gewöhnlich, also den „normalen“ Abstand, den man sonst
einhält, verkleinern
·
Wörter
verdrehen, also „Guten Abend“ statt „Guten Morgen“, „Danke“ statt „Bitte“ sagen
oder „Der Himmel ist grün.“
·
Rückwärts
gehen/ in den Bus einsteigen
·
Fremden
Menschen etwas schenken (Blumen, Komplimente,…)
·
Zum
Bäcker gehen und nach Geranien fragen
·
In
ein Geschäft (Autohaus z.B.) gehen und die Verkäuferin/ den Verkäufer fragen
„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“
·
Pferdeschwanz
nach vorne, nicht nach hinten tragen
·
komplett
schwarz gekleidet, inklusive schwarzen Lippenstift und schwarz geschminkte
Augen/ sehr auffällig geschminkt ( nicht an Karneval) sein mit Schnörkeln am
Auge oder so
·
zwei
Scheiben Fleischkäse und dazwischen ein Brot. Ohne Butter! Essen bzw. bestellen
·
an
der Kasse nicht in der Schlange anstehen, sondern einfach nach vorne gehen und
sagen „Weil ich meine Sachen bezahlen muss!“
NICHT
MACHEN:
- Mit Motorradhelm in eine Bank gehen
- Nichts mit Nacktheit und Obszönem
(wir wollen es veröffentlichen)
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